ExtrablattSteh
Für die einen ist es der Fluch schlechthin – für die anderen der ganz normale Alltag: Das „Steh“ scheidet die Geister wie kein anderes Kommando in der Hundewelt.

Bedeutung des Kommandos

Euer Hund soll mit allen vier Pfoten auf dem Boden „kleben“. Was das im Einzelnen bedeuten „sollte“ erkläre ich euch noch im Laufe dieses Extrablatts.

Sinn und Unsinn

Vor allem für später, wenn euer Hund zum Rentner geworden ist, bringt euch ein gut gelerntes „Steh“ eures kleinen Rackers sehr viele Vorteile. Es ist schnell mal eben ausgeführt, belastet den Bewegungsapparat nicht mehr als „Schritt laufen“ und kann so von jedem Hund, der noch laufen kann, jederzeit und überall ausgeführt werden. Sogar auf einer Treppe, über einer Pfütze, im Schnee … Und: Ihr bekommt es genauso sicher und fest, wie jedes andere Ruhekommando auch.

Anlegen des Kommandos

In aller Regel bietet euer Hund das „Sitz“ als Ruhekommando an. Er zeigt es z.B., wenn er nicht weiter weiß oder sehr häufig auch, sobald Futter in Aussicht steht. Das ist auch kein Wunder, weil er das „Sitz“ zu allererst gelernt hat und weil er dafür in seinem Hundeleben die meisten Belohnungen kassiert hat. Trotzdem kann er lernen, dass er das „Steh“ genauso zuverlässig ausführen muss, wie die beiden anderen Ruhekommandos. Wie? Na, mit vielen, vielen, tollen Belohnungen, die er stets nur für absolut korrekte Ausführungen erhält. Vergleicht bitte einmal die Anforderungen: Beim „Platz“ muss euer Hund liegen bleiben – steht er auf, bekommt er nichts. Beim „Sitz“ ist das ganz genauso, aber beim „Steh“? Wo sollt Ihr da die Grenze ziehen? Ha! Das ist einfach: Was ist der Unterschied zwischen Laufen und Stehen? Wo fängt das Laufen an und wo hört das Stehen auf? Mit dem ersten Schritt. Wäre euer Hund ein Mensch, dann wäre es wahrscheinlich nicht schlimm, wenn Ihr das Umsetzen einer Pfote noch toleriert. Er ist aber ein Hund. Wir leben halt im Hier und Jetzt und verknüpfen immer unsere letzte Handlung mit der Belohnung, die wir anschließend von euch erhalten. Wir können also 10 Minuten stehen geblieben sein und erhalten die Belohnung trotzdem für „ein Stück laufen“, wenn wir euch kurz vor der Belohnung noch einen Schritt entgegen kommen oder uns hinsetzen oder-legen. Seid deshalb beim Steh so streng Ihr nur könnt mit eurem Hund, aber baut die Übungen auch Schritt für Schritt aufeinander auf und steigert stets angemessen. Immer dann, wenn euer Hund das „Steh“ verlässt, besteht auch die Möglichkeit, dass Ihr falsch trainiert habt. Aus diesem Grund findet Ihr am Ende dieses Extrablatts ungewöhnlich viele Hinweise auf mögliche Trainingsfehler.

So könnte es gehen …

Nun wollt Ihr natürlich auch wissen, wie Ihr das mit dem „Steh“ hinbekommt. Bei meinen „Alt-Eingesessenen“ Kollegen, solltet Ihr, bevor Ihr mit dem eigentlichen Training anfangt erst einmal einige Beobachtungen anstellen. Sucht bitte nach Situationen in denen euer Hund tatsächlich einfach nur stehenbleibt, anstatt sich zu setzen. Die wird es geben, Ihr müsst nur danach suchen!

Beobachtungstipps

Damit Ihr nicht von vornherein aufgebt und sagt: „Nein, Bertie, mein Hund setzt sich dauernd, ich find einfach nix bei dem er wirklich lieber steht, als sich zu setzen“, gebe ich euch mal lieber ein paar Stichworttipps … Regen, Pfütze, nasse Wiese, nasses Laub, Schnee, kalter Boden, im Wasser, Gitterrost, Baumstamm, Gestrüpp, vor dem Auto, vor der Haustüre, Straßenlärm, andere Hunde, Bällchen in der Hand, beim Bürsten, beim Fressen, am Fahrrad, auf einem Volksfest, im Aufzug, in der Badewanne oder Dusche, wenn Ihr mal nicht eure Hundeklamotten anhabt, wenn Ihr keinen Futterbeutel umgeschnallt habt oder kein Lecker in der Tasche habt, … Oh, das Letzte ist für mindestens die Hälfte meiner Kollegen ein Supertipp. Denn wann lohnt sich „Sitz“ am allermeisten? Genau, im Training! Also wird euer Hund immer dann, wenn er „Training“ erkennt, auch gleich „Sitz“ im Kopf haben. Vielleicht als Ausweichverhalten auch „Platz“ oder „Fuß“, nur eben halt nicht „Steh“. Und deshalb darf euer Training für „Steh“ nach allem Möglichen aussehen, nur nicht nach Training. Außerdem hätte ich da noch einen Tipp für euch: Sagt eurem Hund in unverfänglichen Situation das Wort „Steh“. Setzt er sich etwa? Na, dann solltet Ihr euch das Training so einfach wie möglich machen und ein neues Wort benutzen. Wir wär’s denn vielleicht mit „Stopp“ oder „Halt“? Damit käme euer Hund mit Sicherheit in den nachfolgenden Trainings besser klar.

Woanders klappt‘s?

Manchmal liegt es aber tatsächlich nur an der Situation. Das nennt sich dann Objektverknüpfung und geht so: Wenn Ihr mit eurem Hund eine Straße überqueren wollt, dann macht der ein 1a „Steh“. Und zwar zu 100%. Immer! Im Training setzt er sich aber zu 99% hin. Na, das täte er wahrscheinlich auch in alltäglichen Situationen in denen er eben nicht auf einem Bürgersteig, vor einer Straße, einer Ampel oder einem parkenden Auto das Kommando erhält. Auch und gerade solch ein eingefahrenes Alltagsverhalten könnt Ihr gut nutzen: Sagt das „Steh“ immer weiter von den eben genannten Lernobjekten weg. Erst ½ m, dann 1m, dann 2m … Und fürgt immer mehr Training hinzu. Im Alltag an der Straße gibt es, wenn überhaupt, schon lange kein Lecker mehr fürs „Steh“? Na, dann wird es Zeit, das mal wieder einzuführen. Aber Vorsicht! Gerade bei meinen gefräßigeren Kollegen könnte das Erkennen einer Belohnungssituation die Kompassnadel in Richtung des Leckerchens, also auf „Sitz“ drehen und Ihr versaut euch durch euer Training das tolle „Steh“ am Bordstein.

Training im Alltag

Habt Ihr solch ein ausbaubares Alltagsverhalten nicht, dann hilft nur das gute alte Training. Besinnt euch auf eure Beobachtungen und schafft euch erst mal die besten Trainingsbedingungen, die Ihr finden könnt … Nehmt euch also z.B. an einem Regentag eine andere Belohnung als euren Futterbeutel, zieht nicht eure Hundeklamotten an und arbeitet möglichst nicht dort, wo Ihr immer oder zumindest öfter mit eurem Hund trainiert. Lauft mit eurem Hund los und sorgt dafür, dass ihr ein bisschen interessant für ihn seid. Irgendwann bleibt Ihr dann einfach stehen, ohne dazu irgendwas zu sagen. Schaut euch am besten irgendetwas genauer an, damit Ihr euren Hund nicht anschaut, denn auch das Anschauen könnte ein „Sitz“ bewirken. Bleibt euer Hund nun tatsächlich auch stehen und – ganz wichtig – hat den Kopf (noch) oben, schnüffelt also nicht, dann sagt Ihr dazu „Steh“ und markert das. Und lasst eurem Hund sofort etwas Gutes zukommen. Das kann ein (gut verstecktes) Lecker sein, aber auch ein Bällchen oder ein tolles Spiel oder ein paar besonders zärtliche Worte. Setzt euer Hund sich aber hin, dann lauft Ihr kommentarlos weiter. Sofort! Auch dann, wenn Ihr schon gemarkert habt und dann aber mit der eigentlichen Belohnung zu langsam ward. Die einzige Lösung dieses Problems ist, dass Ihr beim nächsten Mal schneller sein müsst oder es noch weniger so aussehen lasst, als würde es was geben. Das macht Ihr in unterschiedlicher Manier immer wieder mal, bis Ihr beobachten könnt, dass die „Sitzfehler“ irgendwann tatsächlich immer weniger werden. Ist das wirklich so, dann gilt es fix in Phase 2 einzutreten.

Steh
Schönfüttern

Nun braucht Ihr wieder eine größere Anzahl kleiner, weicher Leckerchen in einem gut zu erreichenden Behälter. Ihr könntet es z.B. mal mit der Futtertasche einer Freundin probieren. Wieder wartet Ihr auf ein „Steh“ ohne dazu was zu sagen. Ja, ich weiß, das fällt euch schwer, aber was sein muss … Steht euer Hund, dann stellt Ihr euch neben ihn und füttert was das Zeug hält, einzelne, kleine, weiche Stücke in ihn hinein. Ohne Marker. Einfach so, aber vor jedem Einwurf sagt Ihr „Steh“ (oder eben das neue Wort, das Ihr euch ausgesucht habt). Das ist dann aber wirklich Dauerfeuer. Bei sehr kleinen Hunden und sehr großen Menschen solltet Ihr versuche den Höhenunterschied auszugleichen, indem Ihr euch hinkniet. So 30 brocken am Stück (ohne Kauen) dürfen es schon nacheinander sein. Setzt euer Hund sich aber hin – egal, ob beim ersten oder beim einunddreißigsten Brocken lauft Ihr sofort wieder los und stellt jegliches Füttern für mindestens 2 Minuten ein. Erst dann versucht Ihr es erneut: Ohne sprechen – erst wenn euer Hund einfach nur steht, füttert Ihr wieder schön: „Steh“ – Futter, „Steh“ –Futter, …

Weiter geht’s

Wenn Ihr soweit seid, dass euer Hund mehr als 150 Brocken in einer Trainingseinheit „verträgt“ ohne sich ein einziges Mal zu setzen, versucht Ihr immer mehr Trainingslook in euer Training zu bringen und zum Schluss probiert Ihr euer Glück auch auf dem angestammten Trainingsgelände und testet auch recht bald schon ein Lecker in der Hand. Bleibt er stehen? Na, was hab ich euch gesagt?!

Der beliebteste Trainingsfehler

Der Kuno tat sich immer schon schwer mit dem „Steh“ und sein Peter war schon ziemlich verzweifelt. Was hatte er nicht schon alles versucht! Immer wieder hatte er den Kuno aus dem (falschen) „Sitz“ ins „Steh“ gelockt und ihn erst belohnt, wenn er dann endlich stand. Oh, oh … Hat er das? Oder sieht der Kuno das vielleicht ein bisschen anders? Mmh. Könnte es vielleicht sein, dass der Kuno und der Peter etwas unterschiedliche Auffassungen von Belohnung haben? Ich glaube schon! Gehen wir das mal durch: Der Kuno soll stehen bleiben, setzt sich aber hin. Das kann der Peter natürlich nicht gelten lassen und hält dem Kuno ein Lecker vor die Nase, um ihn zum Aufstehen zu bewegen. Uups! Das könnte der Kuno anders sehen! Schaut mal genau hin: Wann kommt das Lecker ins Spiel? Ha! Genau! Immer dann, wenn der Kuno etwas anderes macht, als das was er soll! Und was ist das Lecker? Richtig! Eine Belohnung, ganz genau. Was? Er bekommt es erst, wenn er wieder aufgestanden ist? Ja, schon. Aber es taucht immer in dem Moment auf, wenn er NICHT steht. Egal, wie Peter darüber denkt. Der Kuno könnte darauf kommen, dass er das Lecker immer (nur) dann vor die Nase gehalten bekommt, wenn er eben nicht steht. Dass er das Lecker auch bekommen würde, wenn er sich sofort hinstellt, spielt für ihn keine Rolle, da er ja nicht weiß, dass das so wäre, wenn. Er hat es einfach noch nie ausprobiert.

Der Lockfehler könnte noch dazu kommen

Beim „mit dem Leckerchen ins Steh holen“ könnte der Peter aber noch einen weiteren Fehler machen. Das ist der berühmtberüchtigte Lockfehler und der geht so: Peter gibt dem Kuno ein „Steh“, der setzt sich prompt hin. Peter holt also einen Keks aus der Tasche, hält ihn dem Kuno vor die Nase, zieht ihn nach vorne und sagt dabei wahrscheinlich sogar nochmal „Steh“. Kuno zuckt kurz (der Keks bewegt sich schon nach vorn), bleibt dann aber sitzen – evtl. weil er das „Steh“ sogar als Ermahnung sitzen zu bleiben versteht – und der Keks kommt prompt zurück vor seine Nase! Auch wenn er ihn nicht kriegt – versetzt euch mal in den Kuno: Könnte es nicht sein, dass er da etwas völlig falsch versteht? Ich denke schon … Der Kuno sträubt sich doch nicht oder stellt sich gar stur. Nein, das macht der nicht. Er greift lediglich auf schon Erlerntes zurück. Und die vielen, vielen Belohnungen, die er schon fürs „Sitz“ erhalten hat, legen ihm dieses Verhalten schlichtweg sehr nahe. „Was mir schon so viele Belohnungen eingebracht hat, das kann doch nicht falsch sein“, denkt er sich. „Und obendrein taucht immer wenn ich mich setze ein Lecker vor meiner Nase auf. Ich krieg’s halt nur nicht, weil ich wahrscheinlich noch irgendwas anderes machen muss. Nur was?“, das macht den Kuno ratlos. Denn die Lösung ist zwar einfach, aber für den Kuno in keiner Weise leicht (zu verstehen), zumal er sich ja immer wieder denkt, dass das Lecker, das immer dann vor seiner Nase auftaucht, wenn er sich hinsetzt, eine Art von Belohnungsankündigung ist.

Ein anderes Prinzip

Habt Ihr schon einmal etwas von „Food for position“ gehört? Dabei wird die eigentliche Handlung per Markersignal gelobt (Click oder Markerwort), während man mit dem anschließenden Keks den Hund in eine Position bewegt, aus der er das gewünschte Verhalten gleich wieder gut zeigen kann. Wer das „Food for position“ noch nicht kennt, der kann das Prinzip in meinen Extrablättern „Bodentarget“ und „Handtouch“ nachlesen. Und wenn ihr es ausprobiert, dann werdet Ihr sehen, dass es tatsächlich funktioniert. Und deshalb kann Peters „ins Steh ziehen“ auch eben genau nicht funktionieren. Weil es nämlich genau das Gegenteil bedeuten und bewirken würde und das kann ja nicht sein. Entweder funktioniert das Eine oder das Andere – beides geht nicht. Schnee kann ja auch nicht schwarz und weiß auf einmal sein.

Körpersprache

Noch mehr Fehler? Oh Ihr glaubt gar nicht, wie viele das noch sein können. Einige hatte ich euch ja schon genannt, aber auf einen speziellen muss ich euch noch hinweisen: Eure Körpersprache. Oh, Ihr habt eine Körpersprache, ganz bestimmt. Und zwar dauernd. Ja. Allerdings wisst Ihr leider selten, was ihr eurem Hund da gerade erzählt. Denn der achtet so sehr auf eure Gestik und Mimik, dass er andere Signale, wie Worte und andere verzweifelte Versuche ihn von einem Kommando zu überzeugen, schlichtweg ignoriert. Die Lösung ist dabei nicht etwa lauter zu sprechen oder härter durchzugreifen, sondern deutlicher zu zeigen, was Ihr von eurem Hund wollt. Wie das geht, dass müsst Ihr zu einem großen Teil selbst herausfinden, denn jeder von euch spricht ein wenig anders. Aber einen Tipp dazu kann ich euch gerne geben: Lasst euch dabei filmen, wie Ihr eurem Hund ein „Sitz“ nach dem anderen gebt und er sich auch immer wieder setzt. Dann schaut euch diesen Film sehr genau an und merkt euch ganz genau, wie Ihr euch beim „Steh“ nicht hinstellen dürft. Damit wäre schon ein toller Anfang gemacht.

Viel Spaß beim Üben


Euer Bertie



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